Jede Art von Bewegung
ist gesund
Das ist zunächst einmal nichts Neues. In Deutschland wird Bewegung allerdings vernachlässigt, seit Jahrzehnten nimmt der Bewegungsdrang kontinuierlich ab. Jedes fünfte Kind in Deutschland ist mittlerweile übergewichtig, zwei Drittel (!) der Männer und die Hälfte (!) der Frauen. Die Corona-Zeit in den Jahren 2020 und 2021 hat den Bewegungsmangel und damit die negativen Folgen zusätzlich verschärft.
Noch vor Beginn der Corona-Krise im März 2020 verkündete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im November 2019 „Bewegungsmangel ist die Epidemie des 20. Jahrhunderts“ 80% der Kinder und Jugendlichen bewegen sich zu wenig.
Sport ist gesund, Sport hält gesund, Sport ist wichtig für eine gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Alles richtig, aber warum machen es dann immer weniger Kinder und Jugendliche? Warum werden unsere Kinder immer unbeweglicher und dicker? Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang. Sie lernen ihr Umfeld aktiv kennen, sie entwickeln sich durch Bewegung. Und das nicht nur im Bereich der Motorik, sondern auch emotional, (psycho)sozial und kognitiv. Deshalb ist u.a. auch das Jonglieren-Lernen in der Grundschule so außerordentlich wichtig. Um dies zu fördern, muss naturgemäß das Umfeld bewegungsfreundlich ausgestaltet werden. Dafür sind in erster Linie die Eltern verantwortlich, vor allem bei jüngeren Kindern. Viele Untersuchungen haben inzwischen gezeigt, dass aktive Eltern aktive Kinder haben und umgekehrt. Die familiäre Vorbildfunktion spielt eine entscheidende Rolle für die sportliche Entwicklung von Kindern. Doch auch Einflussfaktoren wie Kindertagesstätten und Kindergärten, Schulen sind sehr wichtig für die Bewegungsförderung von Kindern und Jugendlichen.
Körperliche Aktivität fördert kognitive Kontrolle und Gedächtnis
In den letzten vier Jahrzehnten hat die Gehirnforschung größere Erkennt-nisse erbracht als je zuvor in der Menschheitsgeschichte. Ursache ist die in den 1980er Jahren begonnene Einführung der so genannten bildgebenden Verfahren. Darunter ist die Positronen-Emissionstomographie (PET) zu ver-stehen sowie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT). Hier-durch wurde die Forschung erstmals in den Stand versetzt, selbst kleinste Gehirnabschnitte von Größenordnungen unterhalb eines Milliliters auf Durchblutung und Stoffwechsel untersuchen zu können. Plötzlich war es möglich, Gedanken auf Leinwände projizieren zu können.
Der breite Gebrauch dieser neuen apparativen Möglichkeiten schuf völlig neue Einblicke in Struktur und Funktionsweise des menschlichen Gehirns. So hatte bis zu diesem Zeitpunkt in den meisten Neurologiebüchern die Meinung vorgeherrscht, körperliche Bewegungen hätten praktisch keinen Einfluss auf Durchblutung und Stoffwechsel im Gehirn. Die Gehirnstruktur erschien als ein fest gefügtes Instrumentarium ohne Variationsmöglich-keiten. All dies erfuhr eine Korrektur durch die Anwendung der neuen Untersuchungsverfahren. Darüber hinaus konnte vor wenigen Jahren eine Neubildung von Kapillaren im Gehirn beobachtet werden als Folge körperlicher Bewegung, was man bisher nur dem Skelett- und Herzmuskel zuschrieb. Gewissermaßen den Höhepunkt dieser neuen Erkenntnisse stellte die Entdeckung von Eriksson u.a. (1998) dar, die erstmals Neubil-dungen von Neuronen im Gehirn beschrieb. Auch dieser Prozess wird speziell durch körperliche Aktivität gefördert. So hat sich innerhalb von 20 Jahren (1998-2008) das gesamte Weltbild zur Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns geändert (vgl. Hollmann u.a. 2007; Walk 2008).
Aktivitätsabhängige und bewegungsbedingte Neuroplastizität
Das menschliche Gehirn verfügt über die Fähigkeit, sich beständig den Erfordernissen seines Gebrauchs anzupassen (vgl. Spitzer 1996, S. 148). Es ist ein flexibles und plastisches Organ des menschlichen Körpers, das durch seinen Gebrauch geformt wird wie ein Muskel durch seinen Krafteinsatz (vgl. Ratey 2009, S. 50). Sämtliche Lebenserfahrungen prägen das Gehirn und machen es somit einzigartig (vgl. Spitzer 2002, S. 94). Neurowissenschaftler sprechen dabei von Neuroplastizität. Studien zeigen, dass körperliche Belastung zu einem Anstieg der regionalen Gehirndurchblutung und einem Anstieg von neurotrophen Wachstumsfaktoren führt, die die Neubildung und Vernetzung von Nervenzellen unterstützen. Die Anzahl der Nervenzellen und ihre Vernetzung mit anderen Neuronen ermöglichen eine Vielzahl von Verhaltensreaktionen und fördern die Entwicklung der Intelligenz.
Warum Bewegung und Jonglieren so wichtig für Kinder und Jugendliche ist
Dieser Vortrag informiert über aktuelle Erkenntnisse der Gehirnforschung und verschiedene Studien zur Bedeutung von Bewegung für Kinder und Jugendliche und welchen Anteil dabei das Jonglieren übernehmen kann. Auch zur Mediennutzung und zu Bildschirmzeiten von Kindern und Jugendlichen gibt es nützliche Tipps und Hinweise für Eltern, Lehrer und Schüler. Der Abruf dieses Videos ist kostenfrei! Weiterhin erhalten Sie zusätzlich zum Video-Link .einige Web-Links zu den im Vortrag erwähnten Studien. Sie erhalten außerdem kostenfrei das eBook von JOKOKO-Set 1 (ePUB). Damit können Sie oder Ihre Kinder (ab 5 Jahre) 19 originelle Wurf- und Fangübungen mit einem Ball ausprobieren. Video und eBook gibt es hier:
Neurotransmitter und körperliche Aktivität
Eine weitere positive Wirkung von Jonglieren bzw. sportlicher Betätigung auf Gedächtnisleistungen, Lernvermögen und emotionale Prozesse stellt die Erhöhung der Konzentration verschiedener Botenstoffe (Neurotransmitter) im Gehirn dar. Milliarden von Nervenzellen des Gehirns kommunizieren untereinander mittels verschiedener Neurotransmitter, die Signale von einer Nervenzelle zur nächsten weitergeben und auf diese Weise sämtliche Gedanken und Handlungen steuern. Die Verbindungsstelle zweier Nervenzellen nennt man Synapse, wobei sich die Zellen nicht wirklich berühren. Ein elektrisches Signal wird an der Synapse von einem Neurotransmitter in chemischer Form über den so genannten synaptischen Spalt der nachgeschalteten Nervenzelle übermittelt. In zahlreichen tierexperimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass Synthese und Metabolismus der Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin durch körperliche Aktivität gesteigert (vgl. Meeusen/De Meirleir 1995) und die damit verbundenen Gehirnprozesse positiv beeinflusst werden können. Diese Studienergebnisse lassen sich auf den Menschen übertragen. Die beschriebenen positiven Auswirkungen körperlicher Aktivität auf unterschiedliche neurobiologische Prozesse im Gehirn machen deutlich, wie wichtig regelmäßige Bewegung für emotionale Prozesse, Gedächtnis- und Lernleistungen ist. Jonglieren, Sport und Bewegung fördern die exekutiven Funktionen (siehe Buch „Jonglieren in Schulen“, 212 Seiten, 29,90 €, ISBN 978-3-947104-88-8), die auch als kognitive Kontrolle bezeichnet werden und unser Denken und Verhalten steuern. Exekutive Funktionen haben großen Einfluss auf die selektive Aufmerksamkeit, die Fehlerverarbeitung und die Problemlösefähigkeit. Damit stellen gut ausgebildete exekutive Funktionen die Basis erfolgreichen Lernens dar.
Quelle: Dt. Institut für Erwachsenenbildung, DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung, Ausgabe 1/2011 – http://www.die-bonn.de/id/9133